Das Leid der Jesiden
Dinslaken
Starke Texte ist man von Gerhard Greiner zwar gewohnt, doch mit der neuen Reihe „Krieg und Frieden“ geht der ehemalige Flüchtlingspfarrer und Organisator von „Rendezvous nach Ladenschluss“ in Kooperation mit der Ev. Kirchengemeinde Dinslaken neue Wege. Gleich zum Auftakt holten sich Greiner und Sven Hesse mit Halis Erkis von der Gesellschaft jesidischer Akademiker einen Betroffenen des IS-Terrors in die gut gefüllte evangelische Stadtkirche.
„Jeder von uns seit Jahren hier in Deutschland lebenden Jesiden hat noch Verwandte im Irak, in Syrien, in der Türkei. Viele von uns haben seit Monaten kein Lebenszeichen mehr von ihnen gehört, wir wissen nicht einmal, ob sie noch leben“, stellt er gleich zu Beginn seine Verbundenheit und Motivation mit den Glaubensbrüdern und -schwestern im Nahen Osten klar. Als religiöse und ethnische Minderheit seien die Jesiden schon sei Jahrhunderten verfolgt worden. Fälschlich als Teufelsanbeter verschrieen, obwohl monotheistisch an den einen Gott glaubend, fielen sie vor allem den Osmanen zum Opfer, und nun im 21. Jahrhundert der systematischen Ausrottung durch den IS.
Ihre Kultur, ihre Heiligtümer, nur 60 Kilometer von Mossul gelegen, seien in Gefahr, gänzlich vernichtet zu werden, so Erkis. Selbst durch die derzeitigen Luftangriffe und Hilfen durch den Westen sieht er persönlich die Gefahr nicht im geringsten gebannt. Unzählige Frauen seien durch den IS vergewaltigt und getötet worden, Tausende Frauen und Kinder verschleppt und auf dem Sklavenmarkt an reiche Araber verkauft. Erkis berichtet von einer jesidischen Familie, die getötet wurde, erst das Kleinkind, die Frau vor den Augen des Mannes mehrfach vergewaltigt, der Mann vor ihren Augen getötet, sie, bevor sie verschleppt wurde, gezwungen, die Leber ihres Kindes zu essen.
Kaum fassbar für die Zuhörer in der Stadtkirche und doch leider vorstellbar. Mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft jesidischer Akademiker habe der in Kamp-Lintfort lebende Erkis Flüchtlingscamps in der Türkei und im Nordirak besucht. Und dort unvorstellbares Leid gesehen. Traumatisierte Menschen, die nach den Entbehrungen der Flucht ohne Lebensperspektive seien. Erkis klagt in diesem Zusammenhang vor allem die Türkei an, die kaum Hilfstransporte zuließ, und wenn dann nur durch Beziehungen. Die den Flüchtlingen jegliche medizinische Versorgung verweigere. „Hilfsgüter des Westens habe ich dort nicht gesehen, obwohl sie ja abgeschickt wurden“ berichtet Erkis und fragt sich, wo sie geblieben seien. „Hilfe bekommen die Jesiden von ihren Nachbarn, die ihnen das Nötigste zustecken.“
Birgit Gargittter
Quelle: http://www.derwesten.de/nrz/staedte/nachrichten-aus-dinslaken-huenxe-und-voerde/das-leid-der-jesiden-aimp-id10400657.html